Die Gruft von Jindřich Waldes
Jindřich Waldes wurde am 2. Juli 1876 in dem kleinen Dorf Nemyšl bei Tábor geboren, wo seine Familie einen Handel mit Kurzwaren besaß. Zuerst arbeitete er als Schlosser, aber bald nutzte er seine Sprachkenntnisse und begann im Alter von 17 Jahren als Handelsvertreter für die Firma Eduard Lokesch zu arbeiten, die sich auf Metallprodukte spezialisierte. Hier traf er auf Hynek Puc, mit dem er später, im Jahr 1902, das Unternehmen Waldes & Co. gründete, das sich auf die Herstellung von Metallwaren spezialisierte.
Im Jahr 1903 führte Hynek Puc eine innovative Maschine ein. Diese Maschine machte die Herstellung von Druckknöpfen, welche zur Verbindung von Textilmaterialien benutzt wurden, erheblich effizienter. Dank dieser Erfindung und einer finanziellen Spritze von Eduard Merzinger, der nach einem Lotteriegewinn Partner wurde, entwickelte sich das Unternehmen dynamisch. Weitere Partner schlossen sich an, darunter Jindřichs Bruder Zikmund.
Als das Unternehmen weiter wuchs, war eine Erweiterung der Produktionskapazitäten notwendig. Dies führte zum Kauf von Grundstücken in Vršovice, wo 1907 eine neue Fabrik entstand, die heute unter dem Namen Koh-i-noor a.s. bekannt ist und sich in der Vršovická Straße 51 befindet.
Die Geschäftserweiterung wurde durch die Gründung von Auslandsgeschäften in Dresden, Warschau, Paris, New York und Barcelona sowie durch Lagerhäuser in London und Wien begleitet. Jindřich Waldes wurde ohne Übertreibung zum weltweiten „Knopfkönig“ und wurde sogar als „Baťa der Knöpfe“ bezeichnet. Auch für Baťa, den berühmten tschechischen Schuhhersteller, lieferte Waldes Druckknöpfe.
Seinen Sohn Jiří schickte er sogar zum Baťa für ein Praktikum. Dabei sagte er aber: „Wenn es etwas gibt, was Baťa nicht billiger machen kann, dann sind es Waldes-Produkte!“
Waldes sorgte auch sehr für seine Mitarbeiter. Die Fabrik in Vršovice verfügte über außergewöhnliche soziale Einrichtungen (Umkleideräume, Bäder, Turnhalle), kulturelle Einrichtungen (Bibliothek, Leseraum) und Bildungseinrichtungen. Das Unternehmen hatte eine eigene Schule auf dem Niveau von öffentlichen Handelsschulen oder niedrigeren Industrie- und Gewerbeschulen.
Neben dem Geschäft widmete sich Waldes auch der Förderung der Kunst. Nicht nur aus diesem Grund entwarfen František Kupka und Vojtěch Preissig 1913 für das Unternehmen ein ikonisches Logo, das ein „Mädchen mit einem Druckknopf im Auge“ zeigt. Es wird gesagt, dass dieses Logo während einer Werbeaktion in den USA entstanden ist und bis heute verwendet wird.
Er unterstützte auch die Turnbewegung Sokol in Vršovice und den Fußballverein AFK Vršovice, den heutigen Verein Bohemians.
Der Zweite Weltkrieg unterbrach jedoch die Entwicklung des Unternehmens. Es gelang Waldes, seine Angehörigen zur Emigration zu überreden, aber aus patriotischen Gründen blieb er selbst in der Tschechoslowakei. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Waldes verhaftet und zwei Jahre lang in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald inhaftiert. 1941 gelang es seiner Familie, ihn gegen eine Zahlung von acht Millionen Protektoratskronen aus der Nazi-Haft freizukaufen, was etwa einer Viertelmillion US-Dollar entsprach. Zunächst wurde er per Flugzeug nach Lissabon gebracht. Die lange Schiffsreise von Lissabon nach New York überlebte Waldes jedoch nicht; er starb am 1. Juli 1941 in Havanna auf Kuba, an einer akuten Nierenentzündung. Auf dem Neuen Jüdischen Friedhof ruht er in einer imposanten Familiengruft entlang der nördlichen Umfassungsmauer, wo sich die prächtigsten Gräber reicher Prager Unternehmerfamilien befinden.