Die Grabstätten der Familie Petschek
Die Familie Petschek wurde als prominente tschechisch-deutsche jüdische Familie bekannt, die im Handel, in der Industrie und im Bankwesen tätig war und deren Einfluss ihren Höhepunkt um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erreichte. Zwischen den beiden Weltkriegen kontrollierten die Petscheks die Hälfte der Kohleproduktion in Europa, was sie zur bedeutendsten Unternehmerfamilie in den tschechischen Ländern und gleichzeitig zu einer der größten in Europa machte. Ihr Name wurde zum Synonym für erfolgreiche jüdische Unternehmer in Böhmen von der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie bis zur Ära der ersten Tschechoslowakischen Republik. Aufgrund des Aufstiegs der Nazis verließen die Petscheks Mitteleuropa zwischen 1934 und 1938. Ihre Nachkommen leben heute in den Vereinigten Staaten, Kanada und Argentinien.
Der Name Petschek stammt von der deutschen Bezeichnung der Stadt Pečky, die in Mittelböhmen liegt, wo die Familie mindestens seit dem frühen 18. Jahrhundert lebte. Anfangs gehörten die Petscheks dem orthodoxen Judentum an, doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wandten sie sich einer liberaleren Form dieser Religion zu. Im Laufe der Zeit spaltete sich die Kolíner Familienlinie der Petscheks in die Prager und die Aussiger Linie, zwischen denen eine Rivalität bestand.
Die Petscheks sprachen Prager Deutsch und behielten die deutsche Schreibweise ihres Nachnamens auch während der Tschechoslowakisierung von Orts- und Personennamen bei. Zudem bekannten sich alle Familienmitglieder bei den Volkszählungen in der Tschechoslowakei zur deutschen Nationalität.
Das erste historisch belegte Oberhaupt der Familie war Samuel (Šlojme) ben Josef Halevi (1746–1822), der als armer Hausierer (d.h. Haustürverkäufer) in Pečky lebte. Während der Reformen von Kaiser Joseph II. begann er, den Nachnamen Petschek zu verwenden. Diese Verordnung sollte die Integration der Juden in die Gesellschaft erleichtern und zugleich die Steuererhebung sowie deren Einbindung in die staatliche Verwaltung und Wirtschaft verbessern.
In der ersten Familiengruft ist Isidor Petschek (+1919) bestattet, dessen Vater Moses 1871 Aktien der neu gegründeten Mostecká uhelná společnost (Moster Kohlegesellschaft) kaufte. Isidor betrieb eine Anwaltskanzlei und erwarb eine Villa in Bubeneč, wo seine drei Söhne später eigene Villen vom Architekten Max Spielmann bauen ließen. In diesen Villen befinden sich heute die Botschaften von drei Weltmächten – in der Otto-Villa die der USA, in der Paul-Villa die von China und in der Friedrich-Villa die von Russland.
Ein Stück weiter ist Isidors Bruder Julius Petschek (+1932) begraben, der zusammen mit dem anderen Bruder Ignaz im Kohlebergbau tätig war. Ihre Kohleunternehmen kontrollierten zeitweise die Hälfte der europäischen Braunkohleproduktion. Ignaz lebte in Ústí nad Labem und stand in einem fast feindlichen Verhältnis zur Prager Familienlinie. Julius gründete 1920 zusammen mit seinem Sohn Walter und den Neffen von Isidor das Bankhaus Petschek & Co, für die bis 1929 von Max Spielmann ein Palais gebaut wurde, der später als Sitz der Gestapo in die tschechische Geschichte einging.
In der dritten Gruft der Familie Petschek auf diesem Friedhof liegt Isidors Sohn Otto Petschek (+1934), der ebenfalls Anwalt war und nach dem Tod seines Onkels Julius die Leitung der Bank übernahm. Auf dem unteren Foto ist er zusammen mit seiner Frau Magda „Martha“, geborene Popper, der Tochter von Dr. Julius Popper, zu sehen.