Flüchtlingsunterkunft Hotel Ritz

Die Themen: SoPaDe
Periode: 1918–1945

Das 1923-1924 gebaute Hotel diente später als Erholungsheim für tschechoslowakische Veteranen des Ersten Weltkriegs. Nach 1933 wurden hier Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland untergebracht. Der prominenteste Gast dieser Zeit war Philipp Scheidemann, der 1918 die erste deutsche Republik ausgerufen hatte und hier nun seine Memoiren schrieb. Er ging später über die Schweiz, Frankreich und die USA nach Dänemark, wo er 1939 starb.

In seinen Lebenserinnerungen beschrieb der ehemalige deutsche Reichskanzler Philipp Scheidemann, der im September 1933 mit seiner Tochter im Emigrantenheim in Königssaal einen Raum zugewiesen bekam, das Hotel Ritz wie folgt: „Es liegt mehrere Stunden von Prag entfernt, an der Moldau, hat eine schöne Lage und eine entzückende Umgebung mit erheblichem Hügelgelände und herrlichen Wäldern.“ Die landschaftliche Schönheit, die Robert Grötzsch in seinem 1936 erschienenen Roman „Wir suchen ein Land“ ebenfalls festhielt – in diesem Buch wird mutmaßlich das Heim in Königsaal beschrieben –, spielte dabei auch für die Freizeit der deutschen Flüchtlinge eine Rolle; Scheidemann erinnerte sich vor allem, die „Schwimmbäder in der Moldau bereiteten das größte Vergnügen.“

Aber auch Scheidemann war weit davon entfernt, das Emigrantendasein zu glorifizieren – „Ohne Heimat, ohne Vaterland, ohne Familie, ohne jedes Eigentum – das ist bitter.“

Zudem schilderte er die Zustände im Emigrantenheim: Es sei „mit den dürftigsten und billigsten Hilfsmitteln“ von den deutschen Flüchtlingen selbst wieder hergestellt worden, im Garten wurden „Kartoffeln und Gemüse“ zur Selbstversorgung angebaut. Es habe „weder Tischdecken noch Untertassen“ gegeben. „Die fehlenden Untertassen erinnerten an die fehlenden Bohnen im Kaffee“; Fett, Eier und Fleisch seien nur in „homöopathischen Dosen“ ausgereicht worden. „Alle Emigranten waren arm, bettelarm. […] Mehr als zwei Hemden und ein Paar Strümpfe dürfte von den jungen Genossen keiner besessen haben. Alle hatten ziemlich schnell dem Vaterlande den Rücken kehren müssen.“

Philipp Scheidemann (1865–1939), foto: Archiv sociální demokracie, Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Historiker Swen Steinberg und Mike Schmeitzner über die Flüchtlingsunterkunft im Hotel Ritz und Philipp Scheidemann:

Autorka: Lea Calmano