SoPaDe
Anfang 1933 übernahmen die Nazis die Kontrolle über Deutschland. Die unmittelbare Folge war die Verfolgung von politischen Gegnern, insbesondere von Sozialdemokraten und Kommunisten. Es wurden die ersten Konzentrationslager eingerichtet, in denen gemordet und gefoltert wurde.
Für viele Sozialdemokraten und Kommunisten bestand die einzige Lösung darin, ins Ausland zu fliehen. Die Tschechoslowakei war eines der wichtigsten Zielländer. Hierfür gab es verschiedene Gründe. Die Tschechoslowakische Republik war 1933 die letzte Demokratie in Mittelosteuropa und damit der letzte Staat, in dem Flüchtlinge auf Aufnahme hoffen konnten. Ein weiteres Argument für die Tschechoslowakei war die lange gemeinsame Grenze, die im schlimmsten Fall ohne Visum überschritten werden konnte. Der vielleicht wichtigste Grund war jedoch, dass es in der Tschechoslowakei eine große Minderheit von Sudetendeutschen gab, die 3,5 Millionen Menschen umfasste. Das Land war weitgehend zweisprachig, was die Situation für die Flüchtlinge sehr erleichterte.
Im Mai 1933 machten sich verschiedene führende Persönlichkeiten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) über Saarbrücken, das unter der Verwaltung des Völkerbundes stand, auf den Weg nach Prag. In Prag wurde ein Zentrum der SPD-Exilgruppe mit dem Namen SoPaDe gegründet, um die in Deutschland verbliebenen SPD-Anhänger vor den Repressionen der Nazis zu schützen. SoPaDe hatte zwei Haupttätigkeitsbereiche.
Mit Unterstützung der Sudetendeutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik (DSAP) gab die SoPaDe antinazistische Zeitungen und Publikationen heraus, die nach Deutschland geschmuggelt wurden. In Deutschland sammelten autorisierte Personen Informationen über die politische Lage, die dann von der SoPaDe in Prag zu Berichten zusammengestellt wurden. Der zweite große Bereich war die Diskussion über das Programm bzw. die Frage, was eigentlich zur Machtübernahme der Nazis in Deutschland geführt hat.
Als der Druck auf die Tschechoslowakei durch Nazi-Deutschland 1937 erheblich zunahm, verlegte die SoPaDe ihren Sitz nach Paris und 1940 nach London. Eine weitere große Gruppe deutscher Sozialdemokraten ging 1940 in die USA.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten viele von ihnen nach Deutschland zurück, aber nicht alle. Die Rückkehrer bauten dann die SPD wieder auf.
Weitere Informationen zu diesem Thema:
Bachstein, Martin K., Beziehungen zwischen sudetendeutschen Sozialdemokraten und dem deutschen Exil: dialektische Freundschaft, in: Becher, Peter, Drehscheibe Prag. Zur deutschen Emigration in der Tschechoslowakei 1933–1939. München 1992, s. 41–52.
Becher, Peter, Drehscheibe Prag. Deutsche Emigranten 1933–1939. München 1989.
Becher, Peter, Drehscheibe Prag. Zur deutschen Emigration in der Tschechoslowakei 1933–1939. München 1992.
Beck, Miroslav, Exil und Asyl. Antifaschistische deutsche Literatur in der Tschechoslowakei 1933–1938. Berlin 1981.
Behring, Rainer, Demokratische Außenpolitik für Deutschland. Die außenpolitischen Vorstellungen deutscher Sozialdemokraten im Exil 1933–1945. (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 117.). Düsseldorf 1999.
Buchholz, Marlis / Rother, Bernd, Der Parteivorstand der SPD im Exil. Protokolle der Sopade 1933–1940. Bonn, 1995.
Cesar, Jaroslav, Die deutsche antifaschistische Emigration in der Tschechoslowakei (1933–1934), Historica, 1966, č. 12, s. 147–184.
Čapková, Kateřina, Frankl, Michal, Nejisté útočiště. Československo a uprchlíci před nacismem, 1933–1938. Praha 2008.
Černý, Bohumil, Most k novému životu. Německá emigrace v ČSR v letech 1933–1939. Praha 1967.
Deutschland-Berichte der Sopade. Nach dem Exemplar im „Archiv der sozialen Demokratie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung neu herausgegeben und mit einem Register versehen von Klaus Behnken. Frankfurt am Main 1980.
Edinger, Lewis, Sozialdemokratie und Nationalismus. Der Parteivorstand der SPD im Exil von 1933–1945. Hannover und Frankfurt a. M. 1960.
Erich, Matthias, Sozialdemokratie und Nation. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der sozialdemokratischen Emigration in der Prager Zeit des Parteivorstandes 1933–1945. Stuttgart 1952.
Grötzsch, Robert, Wir suchen ein Land. Bratislava 1936.
Grossmann, Kurt R., Emigration. Geschichte der Hitler-Flüchtlinge 1933–1945. Frankfurt/M. 1969.
Kraft, Thomas, Zuflucht in der Tschechoslowakei, in: Brandes, Detlef, Der Weg in die Katastrophe. Deutsch-tschechoslowakische Beziehungen 1938–1947. Essen 1994, s. 27–37.
Müller, Dora, Drehscheibe Brno, Deutsche und österreichische Emigranten 1933–1939. Brno 1997.
Wir danken Richard Pinard für seine wissenschaftliche Unterstützung.
Autor: Thomas Oellermann
Siehe auch
Prager Deutsche Theater
Die Trennung der Prager Theater in tschechische und deutsche Spielstätten ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie kulturelle Einrichtungen von ethnischen Spannungen betroffen waren.
Nicholas Winton war nicht allein: Retter 1938 – 1939
Ohne die Hilfe vieler in- und ausländischer Freiwilliger hätten sich viele Menschen nicht in Sicherheit bringen können.
Bedeutende Frauen des deutschsprachigen Prags
Das Thema kartiert bedeutende Orte, die mit der Geschichte der Frauenemanzipation verbunden sind, wobei der Schwerpunkt auf der in der Tschechoslowakei lebenden deutschen Minderheit in der Zwischenkriegszeit liegt.