Prager Deutsche Theater

Die Deutschen bildeten in Prag die bedeutendste nationale Minderheit. Sie verloren die Stellung einer führenden Nation jedoch im Verlauf des 19. Jahrhunderts, als sie zunehmend von der tschechischen Bevölkerung verdrängt wurden. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts strömte immer mehr tschechischsprachigen Bewohner nach Prag, um in den neu entstehenden Fabriken zu arbeiten. Gleichzeitig begannen sich Angehörige der unteren Schichten der deutschen Bevölkerung, die unter der tschechischen Mehrheitsbevölkerung verstreut lebten, in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Eine gewisse Exklusivität, in die sich die wohlhabenden, liberalen deutschsprachigen Eliten zurückzogen, trug ebenfalls dazu bei.

Nach dem Ersten Weltkrieg sank die Zahl der deutschen Einwohner in Prag von 37.000 auf 30.000. Dieser Rückgang war auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Neben den Kriegsverlusten und den politischen Ereignissen unmittelbar nach dem Krieg, einschließlich der Gründung der unabhängigen Tschechoslowakei, spielte auch die die Änderung bei der Bestimmung der Nationalität während Volkszählungen eine Rolle. Zudem wurde am 1. Januar 1922 das sogenannte „Groß-Prag“ geschaffen, als 37 umliegende Gemeinden Prag angeschlossen wurden. Dadurch vergrößerte sich nicht nur die Fläche der Hauptstadt, sondern verringerte sich weiter auch der Anteil der deutschen Bevölkerung an der Gesamtzahl der Prager Einwohner. Bis in die 1930er Jahre stellten die Deutschen etwa 5 % der tschechischen/tschechoslowakischen Bevölkerung. Die größte Konzentration der deutschsprachigen Bevölkerung befand sich in den Gebieten Příkopy (Graben), Malá Strana (Kleinseite) und Josefov (Josefstadt). Hier machten sie bis zu 20 % der Bevölkerung aus, einschließlich der deutschsprachigen Prager Juden.

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Für die tschechischen Deutschen stellte Prag jedoch ein Finanzzentrum (die bedeutendsten deutschen Bankhäuser wie beispielsweise die Böhmische Unionbank befanden sich hier), ein Bildungszentrum (hier befanden sich deutsche Universitäten, die Deutsche Universität und die Deutsche Technische Hochschule Prag) und vor allem ein kulturelles Zentrum, gebildet durch deutsche Theaterbühnen, dar.

Kulturelle Institutionen, insbesondere Theater, wurden zu Arenen für den Ausdruck und die Propagierung nationaler Identität. Die Aufteilung der Prager Theater ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie kulturelle Institutionen ethnische Spannungen beeinflussten. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dominierte die deutsche Sprache die Kulturszene, und die meisten Theateraufführungen wurden in deutscher Sprache aufgeführt. Dies begann sich zu ändern, als sich die erwachende tschechische Nation bemühte, das Tschechische als Sprache der Hochkultur und des intellektuellen Lebens durchzusetzen.

Einer der Schlüsselmomente dieses kulturellen Kampfes war die Gründung des Nationaltheaters in Prag. Es wurde aus öffentlichen Spenden der tschechischsprachigen Bevölkerung finanziert (obwohl auch deutsche oder zweisprachige Adelsfamilien oft hohe Beträge beisteuerten, ebenso wie Kaiser Franz Joseph I. eine bedeutende Summe beitrug) und 1881 als Symbol der tschechischen nationalen Identität und Herausforderung der deutschen Dominanz im kulturellen Leben eröffnet. Das Nationaltheater führte nicht nur tschechische Opern, Dramen und Ballette auf, sondern wurde auch zum Symbol der tschechischen nationalen Wiedergeburt.

Parallel zur Entstehung tschechischer kultureller Institutionen hielten die deutschsprachigen Bewohner Prags ihre eigenen Theater und Kulturvereine in Betrieb. Das Deutsche Theater blieb weiterhin aktiv, führte Stücke und Opern in deutscher Sprache auf und diente als kulturelles Zentrum für die deutschsprachige Bevölkerung. Dies führte zu einer deutlichen kulturellen Teilung der Stadt, wobei tschechische und deutsche Institutionen häufig nationalistische Stimmungen innerhalb ihrer ethnischen Gruppen unterstützten.

Was jedem Prager selbstverständlich war, und jedem Nichtprager als unglaubwürdig erscheinen muß, um so mehr, wenn man die damalige Rolle des Theaterlebens in Betracht zieht, war dieses: kein tschechischer Bürger besuchte jemals das deutsche Theater und vice versa. Gastierte im tschechischen Nationaltheater die Comédie Française oder das Moskauer Künstlertheater oder ein berühmter Sänger, so nahm die deutsche Presse nicht die geringste Notiz davon, und die Kritiker, die tagtäglich die Namen Coquelin, Stanislawski oder Schaljapin jonglierten, verfielen gar nicht auf die Idee, einer solchen Vorstellung beizuwohnen. Andererseits vollzogen sich Gastspiele im Deutschen Theater, ob es nun solche des Wiener Burgtheater-Ensembles, von Adolf von Sonnenthal oder Enrico Caruso waren, ohne Kenntnisnahme durch die tschechische Öffentlichkeit.

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Auch hier ist die Rolle der Prager Juden zu erwähnen, von denen einige beide Sprachen gut beherrschten und zu wichtigen Vermittlern und Mediatoren zwischen der tschechischen und deutschen Kultur wurden.

Das Thema entstand dank der Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds im Jahr 2024.

erstellt von Zuzana Schreiberová

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