Bedeutende Frauen des deutschsprachigen Prags
Ethnische und geschlechtliche Identität sind Merkmale, die das Leben der Menschen in der Vergangenheit deutlich stärker bestimmt haben als heute. Gleichzeitig gab es Auseinandersetzungen über ihren Inhalt, die die Form von Gesellschaften und deren Wandel bestimmt haben. Solche Auseinandersetzungen waren nicht nur in individuelle Schicksale, sondern auch in den physischen Raum der Städte eingeschrieben. In unserem Projekt zeigen wir, wie die Kämpfe um Frauenrechte und das Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen auch für zeitgenössische Beobachter sichtbar sind.
Die tschechische und Prager Geschichte im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war von der deutsch-tschechischen Koexistenz und der allmählichen Trennung dieser beiden nationalen Gruppen geprägt.
Seit dem Mittelalter wurde in Prag Deutsch gesprochen, aber wie viele Menschen das taten und was das bedeutete, war eine Frage, die sowohl von der tschechischen als auch von der deutschen Nationalbewegung oft politisiert wurde. Bis zur Revolution von 1848 waren die beiden Nationen nicht klar voneinander getrennt, und der Gebrauch der deutschen Sprache war eher eine Frage der sozialen Schicht, doch mit dem Erstarken der tschechischen Wiedergeburt begann sich die Situation zu ändern. Ab den 1860er Jahren, als die ersten Daten verfügbar wurden, ging die Zahl der Deutschen in Prag zurück. Dies lag nicht unbedingt daran, dass die Menschen wegzogen – viele zweisprachige Familien begannen beispielsweise aus verschiedenen Gründen, Tschechisch als erste Sprache zu verwenden. Als tschechische Arbeiter in die industriellen Vororte Prags zogen, nahm der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung ab. Im Zuge dieser Entwicklung radikalisierten sich auch die politischen Parteien, die die verschiedenen Sprachgruppen vertraten.
Obwohl die damalige Presse den Eindruck erwecken konnte, dass in Prag zwei völlig unterschiedliche Bevölkerungsgruppen lebten (es gab häufige Aufrufe, nicht in den Geschäften des anderen Lagers einzukaufen, das Bildungssystem und das kulturelle Leben wurden geteilt), knüpften die Menschen im Alltag Kontakte, sprachen mehrere Sprachen und besuchten kulturelle Veranstaltungen über die ethnischen Grenzen hinweg. Die Gruppe, die oft in der Mitte dieser nationalen Auseinandersetzungen stecken blieb, war das Prager Judentum. Einige der Persönlichkeiten, an deren Leben unser Projekt erinnert, waren Prager Jüdinnen und Juden, zum Beispiel die Fotografin Grete Popper.
Auch nach der Gründung der Tschechoslowakei war die Situation nicht gelöst, und Prag blieb ein Ort des Konflikts – der Streit um das Ständetheater, obligatorische tschechische Untertitel bei ausländischen Filmen oder der sogenannte Insignienstreit, den unser Projekt Ihnen näher bringt, zeigen, dass die deutsche Politik allmählich in die Defensive geriet. Prag blieb jedoch ein kulturelles Zentrum für die tschechischen Deutschen – es war der Sitz von kulturellen Einrichtungen oder einer Universität, und Menschen beider Nationalitäten besuchten das Deutsche Theater in Prag, um zum Beispiel die Sängerin Herminu Medelsky zu sehen.
Vor dem Hintergrund der nationalen Auseinandersetzungen fanden auch andere wichtige gesellschaftliche Veränderungen statt, wie etwa der Kampf um Frauenrechte. In den böhmischen Ländern war dieser Kampf lange Zeit vom Kampf um die nationale Selbstbestimmung überschattet – die Frauen sollten sich in erster Linie befreien, um ihre Nation zu stärken. Die ersten Emanzipationsprojekte in Prag sind daher mit den Namen bedeutender Persönlichkeiten der tschechischen Wiedergeburt verbunden, wie Vojta Náprstek und dem Amerikanischen Damenclub, Eliška Krásnohorská und dem Minerva-Gymnasium oder mit den Aktivitäten von Marie Riegrová.
Feministische Aktivitäten, die über die nationale Befreiung hinausgingen, entwickelten sich in sozialistischen Kreisen. Nach der Gründung der Tschechoslowakei, als das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, waren es weibliche Abgeordnete der sozialistischen Parteien beider Nationalitäten, die sich für eine frauenfreundliche Gesetzgebung einsetzten (hier können Sie über Irene Kirpal und andere deutsche sozialdemokratische Abgeordnete lesen).
Die Emanzipation der Frauen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg weiter vorangetrieben, aber die deutsche Minderheit in Prag konnte daran nicht mehr teilnehmen. Unser Projekt zeigt, dass die Entwicklung der tschechischen Geschichte auch von Bürgern, die sich zur deutschen Nationalität bekannten, wichtige Impulse erhielt.
Autorin der Einleitung: Karin Hoření, Autorin der Orte: Lenka Barišová
Das Thema wurde dank der Unterstützung des Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds 2023 entwickelt.
Thema Orte
Susanne Jicha(-Götzl-Steinberg)
Hermine Medelsky
Sdružení vysokoškolsky vzdělaných žen v republice Československé (Verbandes der Frauen mit Hochschulbildung in der Tschechoslowakischen Republik)
MUDr. Emma Maria Herzig
Ratstagung der Föderation der Frauen mit Hochschulbildung in Prag (International Federation of University Women)
Politikerinnen
Irene Kirpal und Franziska Blatny
Grete Popper
Prager Secession
Absolventinnen
Siehe auch
Nicholas Winton war nicht allein: Retter 1938 – 1939
Ohne die Hilfe vieler in- und ausländischer Freiwilliger hätten sich viele Menschen nicht in Sicherheit bringen können.
Wo deutsch schreibende SchriftstellerInnen unterwegs waren
Das Thema stellt fünf deutsche AutorInnen vor, die in ihren Büchern Prager Straßen, Ecken oder Bewohner beschrieben haben.
SoPaDe
Deutsche Sozialdemokratie im Exil in der Tschechoslowakei.