Deutscher Evangelischer Friedhof

Der deutsche evangelische Friedhof in Strašnice diente seinem Zweck von 1795 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach der Vertreibung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung aus Prag und der Tschechoslowakei hatte der Friedhof keine Nutzung mehr und wurde 1950 offiziell geschlossen. 1958 wurde offiziel beschlossen, den Friedhof zu beseitigen und das Gelände für Freizeit- oder Sportzwecke zu nutzen. Dies geschah jedoch glücklicherweise nicht, da die Friedhofskapelle inzwischen der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche übergeben wurde, die dort ein Kolumbarium einrichtete, in dem auch auf dem offiziell geschlossenen Friedhof weiterhin Urnen beigesetzt wurden. Weitere Überlegungen zur Zukunft des Friedhofs brachte das Jahr 2000 mit sich, als vorgeschlagen wurde, den Friedhof als letzte Ruhestätte für gefallene Wehrmachtssoldaten aus Prag und Nordböhmen zu nutzen. Aufgrund des Widerstands von Denkmalpflegern und Teilen der Öffentlichkeit wurde dieser Plan nicht umgesetzt, und der Friedhof wurde 2002 zum Kulturdenkmal erklärt (gezählt wurden 598 Gräber und 54 Grabstätten). Trotzdem verfiel er weiter und wurde auch Zufluchtsort für einige Obdachlose, über die der Regisseur David Vondráček 2012 den Dokumentarfilm Liebe im Grab drehte. Erst 2015 wurde der Friedhof nach einer Renovierung offiziell wiedereröffnet und dient weiterhin seinem ursprünglichen Zweck, auch wenn dort nur noch eingeäscherte Überreste beigesetzt werden können.

Die Friedhofskapelle (heute gehört sie der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche) wurde 1912 nach den Plänen des bekannten Architekten Adolf Foehr im neoklassizistischen Stil erbaut. Während der Renovierung wurde auch die ursprüngliche deutsche Inschrift über der Portikus „CHRISTUS IST UNSER LEBEN“ wiederhergestellt.

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Der älteste lesbare Grabstein stammt aus dem Jahr 1828, die historisch interessantesten Gräber befinden sich entlang der westlichen Umfassungsmauer, während der östliche Teil weniger gepflegt ist. Der wohl bekannteste Name, der heute auf dem Friedhof zu finden ist, ist den meisten Pragern vor allem durch die prächtige Villa in den heutigen Havlíček-Anlagen bekannt, die sich Moritz Gröbe (+1891), ein Unternehmer im Eisenbahnbau, bauen ließ.

Weitere berühmte Persönlichkeiten, die auf dem Friedhof begraben sind, sind heute mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Lassen Sie uns einige von ihnen in Erinnerung rufen: Angelo Neumann (+1910) begann seine Karriere als Baritonist der Wiener Hofoper, später wurde er Direktor der Oper in Leipzig, verbrachte aber den größten Teil seiner Karriere in Prag, wo er zuerst Direktor des Ständetheaters und 1888 des Neuen Deutschen Theaters (heute Staatsoper) wurde, das er bald nach seiner Eröffnung auf ein solches künstlerisches Niveau brachte, dass es internationalen Ruhm erlangte.

Nicht weit entfernt ist seine zweite Frau, die Schauspielerin Johanna Buska (+1922), begraben, die in Königsberg geboren wurde und in Theatern in Berlin, St. Petersburg und Wien auftrat. Während ihres Engagements in Wien hatte sie eine Beziehung mit dem 11 Jahre jüngeren Kronprinzen Rudolf, und auf Befehl von Franz Joseph I. musste sie einen 36 Jahre älteren Generalleutnant der kaiserlichen Garde, Graf Török, heiraten, der jedoch vier Jahre später starb. Buska erhielt dann von Neumann ein Engagement in Prag, heiratete ihn und schließlich verbrachte den Rest ihres Lebens in Prag. Ihr künstlerisch gestalteter Grabstein wurde 2008 fachgerecht restauriert, und es wurde herausgefunden, dass zusammen mit der Schauspielerin auch ihre Mutter in diesem Grab bestattet ist.

Mit dem Neuen Deutschen Theater war auch der Tenor Wilhelm Elsner (+1903) verbunden. Weitere erwähnenswerte Künstlerpersönlichkeiten sind die Komponisten Ludwig Grünberger (+1896) und Julius Morman (+1942). Morman spezialisirte sich auf Militärkapellen, zuerst in Serbien und später im Osmanischen Reich. Hier wurde er unter anderem für die Komposition der sogenannten Jungtürkischen Hymne ausgezeichnet.

Der Arzt und Universitätsprofessor Hugo Rex (+1936), der sich vor allem mit Lebererkrankungen befasste, wurde in die große Grabstätte der Familie seiner Frau Helena Marguliés beigesetzt. Eine prächtige Grabstätte entlang der westlichen Umfassungsmauer ließ sich auch Carl Umrath (+1895) errichten, dessen Fabrik in Bubny landwirtschaftliche Maschinen – Mäh- und Sämaschinen, Dreschmaschinen und ab den 1890er Jahren auch Dampflokomotiven – Vorläufer der Traktoren – herstellte. Der ursprüngliche Grabstein von Oskar Dolch (+1943), Chefkonstrukteur der Škoda-Werke in Pilsen und Konstrukteur der Schnellzuglokomotiven, die als Mikado bekannt sind, wurde zerstört. Auf Initiative von Eisenbahn-Enthusiasten des Vereins Zababov wurde 2020 ein neuer Grabstein aufgestellt.

Das Projekt wurde dank der Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds im Jahr 2024 realisiert.

Zusammengefasst von: Ivan Podola